17.11.2022
Zukunftssorgen im Handwerk wachsen
Konjunkturumfrage: Herbst-Geschäfte solide, Winter-Einbrüche befürchtet
Spürbare Entlastungen für das Handwerk, besonders für energieintensive Branchen wie Bäcker, Fleischer, Textilreiniger und Metallbauer, mahnte Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer Münster (HWK), anlässlich der Ergebnisse der Konjunkturumfrage Herbst 2022 an. In einem Pressegespräch am Donnerstag (17. November) verdeutlichte Hund die sich ausbreitenden Zukunftssorgen im Handwerk des Kammerbezirks Münster. Für die kommenden Monate prognostizieren die Betriebe im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region starke Auftragsrückgänge bei inflationären Preisen.
Zwar ist die Geschäftslage in den vergangenen sechs Monaten solide verlaufen. Von 710 Betrieben verbuchten 44 Prozent gute Geschäfte und lediglich 15 Prozent schlechte; 41 Prozent finden die Geschäfte befriedigend. Ansteigende Kosten, eine erschwerte Materialbeschaffung und die Kaufzurückhaltung beeinträchtigten die Geschäfte jedoch zunehmend, erklärte Hund. Die aktuelle Kapazitätsauslastung verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Punkte auf 80,1 Prozent. Die HWK wertet diesen Rückgang als vergleichsweise moderat.
Die Stimmung werde aber von Befürchtungen überschattet. In der Prognose sehen die Befragten massive Geschäftseinbrüche über den Winter auf sich zukommen. 48 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung, nur 6 Prozent mit einer Verbesserung der Lage. Einen derartigen Pessimismus beobachtete die HWK zuletzt 1990, vor der Rezession im Zuge der Einheitskrise.
Wegen der negativen Erwartungen stürzte der Geschäftsklimaindikator gegenüber dem Vorjahr um 30 auf nur noch 87 Punkte ab. Der Indikator in der Emscher-Lippe-Region sank gegenüber dem Vorjahresherbst um 25 auf 84 Punkte. Im Münsterland ist der Stimmungsabfall um 31 Punkte zwar stärker, kommt aber von einem höheren Niveau. Das Geschäftsklima ist mit 88 Punkten etwas besser als im nördlichen Ruhrgebiet. Die erwartete Entwicklung des Auftragsbestandes und der Beschäftigung verläuft in beiden Regionen bergab.
„Unsere Betriebe kämpfen mit explodierten Erzeugerkosten“, erläuterte Hund. Die Kosten für Energie sind in den vergangenen sechs Monaten bei 90 Prozent der Befragten gestiegen. Davon ordnet über die Hälfte (55 Prozent) die Steigerung als stark ein. Beim Materialeinkauf ist die Belastung noch größer. 96 Prozent müssen mehr für Rohstoffe, Vor- und Zwischenprodukte sowie Ersatzteile bezahlen. Von ihnen bewerten 71 Prozent die Steigerung als stark.
Infolge dessen erhöhten 73 Prozent der Befragten ihre Verkaufspreise. Mit Blick auf die nächsten Monate gehen die Betriebe davon aus, dass sich ihre Verkaufspreise im Zuge weiter zunehmender Kosten ebenfalls nach oben bewegen. Trotz Preissteigerungen sank der Umsatz. Die Auftragsreichweite verkürzte sich seit dem Frühjahr um eine halbe Woche auf 9,5 Wochen. Der Auftragsbestand reduzierte sich deutlich. Über die Hälfte der Befragten geht von einem künftigen Auftragsminus durch Stornierungen und Zurückhaltung der Kunden aus. Vorsicht herrscht deshalb bei den Investitionsaktivitäten der befragten Betriebe, die bereits leicht rückläufig sind.
Die Auswirkungen der Coronapandemie und des Ukraine-Kriegs kämen verstärkt auch auf dem Arbeitsmarkt an, deutete Hund den Beschäftigungsabbau im heimischen Handwerk. Teils hätten sich wirtschaftlich geschwächte Betriebe von Personal trennen müssen. Teils seien offene Stellen wegen des Fachkräftemangels unbesetzt geblieben. Im Saldo gibt es 6 Prozentpunkte mehr Personal abbauende als aufstockende Betriebe.
Alle Handwerksgruppen merken ein negatives Geschäftsklima und eine Verschlechterung der Konjunktur gegenüber dem Vorjahr: Im Ausbaugewerbe ist die Laune mit einem Geschäftsklimaindikator von 95 Punkten am vergleichsweise besten. Energetische Sanierungen sorgten für eine Sonderkonjunktur. Es gab einen geringen Beschäftigungsaufbau.
Die Anbieter für den gewerblichen Bedarf verzeichnen einen Geschäftsklimaindikator von 94 Punkten. Die Betriebe spüren die nachlassende Industrieproduktion als Folge hoher Energiepreise und fehlenden Materials. Es wird eine unveränderte Beschäftigung für die nächsten Monate prognostiziert.
Im Bauhauptgewerbe erreicht der Geschäftsklimaindikator nur noch 87 Punkte. Über den Winter erwartet die Branche, die zuletzt noch die besten Umsätze verzeichnete, den stärksten Auftragsabsturz aller Gewerke. Der Pessimismus ist groß.
Das Gesundheitsgewerbe spürt mit einem Geschäftsklimaindikator von 85 Punkten das schwache Umfeld. Die Branche konnte gestiegene Kosten am wenigsten weiterreichen. Die Erwartungen sind verzagt.
Der Geschäftsklimaindikator bei den Personenbezogenen Dienstleistern kommt auf nur 79 Punkte. Die ersehnte Erholung ist bei realen Einkommensverlusten und Konsumzurückhaltung zu schwach ausgefallen. Der Ausblick auf die weitere Entwicklung hat sich deutlich verdüstert.
Im Kraftfahrzeuggewerbe landete der Geschäftsklimaindikator bei nur 75 Punkten. Die Geschäftslage stagniert seit einem Jahr. Nach wie vor gibt es Lieferengpässe. Die Branche musste die größten Umsatzverluste bewältigen. Der Blick voraus lässt auch einen steilen Geschäftseinbruch erwarten.
Am schlimmsten ist die Situation im Nahrungsmittelgewerbe mit einem Geschäftsklimaindikator von 54 Punkten. Gründe sind die exorbitant gestiegenen Energiekosten und nach wie vor extrem hohen Rohstoffpreise. Schon die aktuelle Lage ist ins Minus gerutscht. Die Branche hat die größten Befürchtungen aller Gruppen für die kommenden Monate.
Hunds Fazit: „Dem Handwerk weht ein rauer Wind entgegen.“ In einer solchen Situation müsse seitens der Politik alles getan werden, um die Last für die kleinen und mittleren Unternehmen zu erleichtern. Priorität habe jetzt die Herausnahme des akuten Kostendrucks, forderte Hund.
Mit Weiterbildung und Beratung unterstütze die Handwerkskammer Münster Betriebe beim Erreichen von mehr Energieeffizienz und Klimaschutz, unterstrich deren Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz. Im HBZ Münster würden Handwerker fit für die Umsetzung der Energiewende und damit Erreichen der Klimaziele bei ihren Kunden gemacht. In der Mittelstandsinitiative Energiewende habe die HWK die Online-Anwendung „Energiebuch E-Tool“ mitentwickelt. „Hier können Unternehmen ihren Energieverbrauch und CO2-Emissionen erfassen, auswerten und darstellen“, empfahl Banasiewicz. Überdies wolle die HWK die persönliche Beratung zur Energieeffizienz in den Betrieben intensivieren.
Im Kammerbezirk Münster ist der Bestand an Handwerksbetrieben seit Jahresbeginn um 1 Prozent auf 30.079 gestiegen. 929 Betriebe haben ihre Türen geschlossen. Bislang lägen keine Hinweise auf verstärkte Insolvenzen, finanzielle Schwierigkeiten oder Kapitalmangel vor. „Durchhalten“ scheine in diesen herausfordernden Zeiten die Devise der Betriebe unserer Region zu sein, resümierte Banasiewicz.
Pressemitteilung vom 17. November 2022